Digitale Bildnachbearbeitung von Archiv-Fotos? So sind unsere gemeinsamen Standards in Gefahr!
Ein Kommentar von Simon Schwinge
Das Tempo, in welchem Donald Trump, seines Zeichens Präsident der US of A, Nachrichtenmeldungen produziert, ist beeindruckend hoch. So hoch, dass eine für uns als professionelles Digitalisierungs-Unternehmen sehr wesentliche Meldung allzu schnell unterzugehen drohte: Die „National Archives and Records Administration“, sozusagen das Nationalarchiv der Vereinigten Staaten, veränderte ein digitales Foto des Frauenmarsches in der amerikanischen Hauptstadt aus dem Jahr 2017.
Tatsächlich wird immer deutlicher, dass Manipulationen drohen heutzutage ein „legitimes“ Mittel der politischen Dokumentation zu werden, in denen es vor allem darum geht, die Nützlichkeit einer Information ins Zentrum zu stellen. Oder wie in diesem Fall Unerwünschtes unkenntlich zu machen.
Als Dienstleister sind wir nicht nur strikt gegen jede Manipulation, sondern sehen darin eine echte Gefahr für die Branche und das Berufsbild. Denn Digitalisate und digitale Archive stehen für eine barrierefreie und niederschwellige Teilhabe an Informationen – eine unverfälschte, eine unveränderte an allererster Stelle! Leider zeigt sich aber auch genau an dieser Stelle (ein echte Sollbruchstelle!) die Möglichkeit, implizierte Informationen zu manipulieren oder negieren. Und das wird heutzutage, wie sich im konkreten Fall zeigt – mehr oder weniger plump – angewandt, um Bildinformationen die eine Deutung oder gewünschte Interpretation des Dokuments bewusst herbeiführen sollen, auch tatsächlich regelmäßig und wiederkehrend zu nutzen.
So wurden, wie Anfang Januar 2020 bekannt wurde, augenscheinlich unter dem Eindruck, die Erinnerung an das komplizierte Verhältnis zwischen Donald Trump und der amerikanischen Bevölkerung müsse irgendwie beschönigt werden, Slogans, Schimpfworte und Beleidigungen in einer Aufnahme des Washingtoner Frauenmarsch verpixelt.
Natürlich stapeln sich die wissenschaftlichen Ausführungen in den Regalen über die gängige Praxis, Fotografien zur Kommunikation bestimmter Botschaften zu verändern. Das ist beileibe nichts Neues in der Geschichte der Fotografie. Doch egal, ob Galerie, ob Unternehmen oder Museum, sollte ein Archiv – gerade wenn es als das Nationalarchiv angesehen und staatlich finanziert wird– hier mehr als nur Vorsicht walten lassen, nein Vorbild sein!
Um mal einen Vergleich zu wagen: Digitalisierungsprojekte basieren in Deutschland meistens auf den Praxisregeln „Digitalisierung“ der DFG. Dort ist ganz eindeutig festgelegt, dass eine digitale Bildnachbearbeitung unerwünscht ist und nur im aller aller äußersten Notfall in homöopathischen Dosen angewandt werden darf: „Auf jeden Fall zu vermeiden sind Objektdeformationen, das Hinzufügen oder Löschen von Objektteilen, sowie Spezialeffekte, wie z. B. der Einsatz von Verfremdungsfiltern.“, so die klare Aussage.
Um es noch klarer zu sagen: Ein Dienstleister, der gegen diese Regeln verstößt, verliert seinen Auftrag. Ein Archiv würde seinen guten Ruf verlieren. Denn die Relevanz verlässlicher und eindeutig nachvollziehbarer, barrierefrei und niederschwellig zugänglicher Informationen ist heutzutage nicht mehr wegzudiskutieren.