Geschichte besteht nicht nur aus Archiven und Bibliotheken, Geschichte ist mehr. Private Erinnerungen erschließen neue Einsichten – stellen Verbindungen her und verbessern das Verständnis für ein Miteinander. Politik und gesellschaftliche Entwicklung hatten in früheren Jahrzehnten und Jahrhunderten eher etwas mit Herrschaftswissen zu tun. Die Digitalisierung ändert dies auf radikale Weise.

Ein gutes, anschauliches Beispiel ist die amerikanische Plattform Historypin. Hier werden Archive angelegt, die von Privatpersonen genauso wie von Institutionen jeglicher Art betreut und genutzt werden. Mehr als 4.000 Kultur-Organisationen („cultural heritage organisations“) nutzen bis jetzt bereits die Werkzeuge und Methoden der amerikanischen Plattform. Sie wenden sich an Historypin, damit diese sie dabei unterstützen, kommunale Archive einzubinden und deren Sammlungen mit den Geschichten der lokalen Geschichte zu verbinden. Die Nutzung steht aber auch ganz klar Privatpersonen zur Verfügung, denn deren Sammlungen und Dokumente sind im Zweifel von gleich Wichtigkeit.

Eines der Spezialgebiete von Historypin sind durchaus größer angelegte, durchfinanzierte Projekte, die ein messbares Engagement auf die nächste Ebene bringen. Auch wenn sie je nach der technischen Entwicklung, der erforderlichen Ausbildung und anderen Faktoren variieren – es geht der Plattform immer um eine tiefgreifende soziale Wirkung. Hier sind denn auch professionelle Digitalisierungen wie sie PictureSafe betreut und ein solches, offenes Konstrukt durchaus dicht beieinander – ohne aber ernsthaft in Konkurrenz zu treten. Und man muss bei einem solchen Vergleich natürlich auch noch die Bedingungen, die Voraussetzungen beachten, die in USA und Mitteleuropa doch deutlich unterschiedlich sind.

Das Motto der Plattform lautet „People come together to share photos, stories and memories with each other, and the world“ und zeigt damit den Ansatz jedenfalls recht deutlich. Es geht nicht darum sich in Konkurrenz zu professionellen Dienstleistern zu begeben, sondern möglichst niederschwellig Geschichte zu schreiben. Historypin ist ein digitales, nutzergeneriertes Archiv mit historischen Fotos, Videos, Tonaufnahmen und persönlichen Erinnerungen.

Ein gutes Beispiel für die Bedeutung ist übrigens das Projekt „Moving Beyond Colonial Models of Digital Memory“. Das zeigt, dass Kenntnisse von Sprache und Kultur nur Bedeutung innerhalb des (virtuellen) Raumes von Geschichte und Geschichten und der physischen Materialien eines indigenen Volkes haben – und dies auch nur dann, wenn es eine nächste Generation gibt, der sie beigebracht werden kann. Ein Generation, die sich ihrer Geschichte – wie alle zukünftigen – per digitalen Medien annehmen wird.

Foto: Screenshot 23.11.2020